Schwimmbad

Schwimmen in Pfungstadt
Man kann nicht dasselbe tun und erwarten andere Ergebnisse zu erhalten. Bild: Pixabay

Ich habe schönste Erinnerungen an das Pfungstädter Schwimmbad. Insbesondere das Freibad empfand ich, gerade mit Kindern, als „Perle“ in der Schwimmbadlandschaft der näheren Umgebung. Vier Becken, Sprungturm, viel Liegefläche, Bäume, Pommes, Sonne und Schatten, Sandfläche. Toll. 

2014, da waren meine Kinder 13, wurde das Bad geschlossen. Ein Schock. Eine ungeheure Erschütterung des Pfungstädter Universums. Ein Anschlag auf das Vertrauen in „die Politik“, von der wir, als Bürger, uns bis heute nicht erholt haben.  Wie konnte es dazu kommen? So schlagartig das „Aus“ uns auch erwischt hat - es war absehbar. 

Bürgermeisterkandidat Mathias Zeuner zur Chronologie des Schwimmbadbaus in Pfungstadt
ürgermeisterkandidat Mathias Zeuner zur Chronologie des Schwimmbadbaus in Pfungstadt
Chronologie

1908
Bereits 1908 wurde in Pfungstadt ein Hallenbad eröffnet, beheizt über das kommunale Wasser- und Elektrizitätswerk. Es zählt zu den ersten öffentlichen Hallenbädern in Hessen.

1976
In den 1970er-Jahren plant die Stadt Pfungstadt ein „modernes“ Kombi-Bad mit Hallenbad, Wellenbad und Freibad. Das existierende innerstädtische Hallenbad war zu klein geworden und sanierungsbedürftig. Der Neubau wurde als großes regionales Freizeitbad konzipiert. Zu groß für Pfungstadt: „… die Wasserfläche pro Einwohner liege um 50 Prozent über dem Durchschnitt Hessens.“ Zitat aus Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler. 1976 beginnt der Bau.

1978 – Eröffnung des Wellen‑ und Freibads
Das neue Wellen‑ und Freibad wird 1978 offiziell in Betrieb genommen. Die ersten Besucher: DLRG–Aktive und Taucher, die die Wellen testeten. Die Baukosten lagen damals bei 22 Millionen D‑Mark, was inflationsbereinigt heute (2022) etwa 28,4 Millionen EUR entsprechen würde. Das Bad war mit einer Wasserfläche von ca. 593 m² im Innen‑ und Wellenbad, sowie 2.045 m² Freibadfläche, eines der größten in der Region. Vermutlich auch eines der teuersten.

1994 - Disco
Nach Presseberichten ist das Bad defizitär - der städtische Zuschussbedarf geht in die Hunderttausende DM pro Jahr und stieg im Lauf der Zeit weiter an. Die Stadt unternahm verschiedene Maßnahmen, um Attraktivität und Erlöse zu steigern. So wurde 1994 ein Anbau an das ursprüngliche Badgebäude fertiggestellt. Die Kosten betragen mehrere Millionen DM. In dieser Zeit fanden auch Event-Veranstaltungen wie “Disco-Schwimmen” statt, um mehr Besucher anzulocken. Trotz allem blieb das Defizit des Bades hoch und belastete den Stadthaushalt zunehmend.

2003 – Nägel mit Köpfen - Verpachtung 
Die Unterlagen der Stadtverordnetenversammlung stehen ab dem Veröffentlichungsjahr 2001 digital recherchierbar zur Verfügung. Darin wird die prekäre finanzielle Situation des Schwimmbads deutlich. 2003 beschließen die Stadtverordneten die Verpachtung des Wellen- und Freibades an die private Betreibergesellschaft: „Family Fun Pools“. Es kommt aber nicht zur Umsetzung.  Später wird in der Stadtverordnetenversammlung über mögliche Maßnahmen wie den Verzicht auf andere freiwillige Leistungen und/oder die Erhöhung der Eintrittspreise (Tageskarte damals etwa 3 EUR) des Schwimmbads diskutiert. Letztere führt, ironischerweise, zu Bürgerprotesten. Hat sich gelohnt. 

2005 - Sonderausschuss „Schwimmbad“
Ab 2005 bildet die Stadtverordnetenversammlung einen eigenen Ausschuss „Schwimmbad“. Ebenso wird eine Betriebskommission gebildet. Der Ausschuss kommt im Abschlussbericht vom 3. Dezember 2005 zum Schluss, „dass es … unmöglich sein wird, das Schwimmbad in seiner jetzigen Form von dem aktuellen Zuschussbedarf herunter zu bekommen. Es wurden verschiedene Szenarien auf ihre Wirkungen und Haushaltskonsequenzen betrachtet (Erhalt des status quo, Erhalt des Freibades, Erhalt des Hallenbades, komplette Schließung, Schwimmbadabriss).“ (Entwurf Abschlussbereicht Akteneinsichtsausschuss 2013)

2010 - Schließung des Pfungstädter Freibades wird beschlossen
Doomed seit spätestens 2005. Im Jahr 2010 schließlich, war die Finanzsituation so prekär geworden, dass die Stadtverordnetenversammlung auf Antrag der Grünen die Schließung des Pfungstädter Freibades beschließt. Natürlich kommt es nicht dazu - am Ende geht es lediglich um die Frage wie lange Hallen- und Freibad in der jeweiligen Saison geöffnet bleiben. Aber man erinnert sich an die „Disco-Lösung“ von 1994 und beschließt: Man wirft dem schlechten Geld nochmal das gute hinterher:

2011 - Sauna
2011 wurde eine neue Saunalandschaft direkt an das bestehende Wellen‑ und Freibad angebaut. Kosten etwa 6,6 Millionen Euro. 2012 eröffnet, verfügte die Einrichtung über mehrere Saunen (z. B. Finnische Sauna, Bio-Sauna), Ruhebereiche, ein Tauchbecken sowie gastronomische Angebote. Ziel war es, ein eigenständiges Wellnessangebot zu schaffen, das sowohl von Badegästen als auch unabhängig davon genutzt werden konnte. Gut gemeint, aber: Pfungstadt schafft es mit dieser „Meisterleistung“ ins Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler.

2013 – Brandschutz und Defizite
2013 erreichen die Verluste Rekordniveau. Die Stadt, die Pfungstädter Bürger müssen allein für das Geschäftsjahr 1,7 Millionen EUR, inflationsbereinigt heute rund 2,1 Millionen EUR bezahlen, um das Schwimmbad am Leben zu halten. Ein Brandschutzgutachten Ende 2013 legte eindeutige Mängel offen – das Bad war technisch und baulich nicht mehr zeitgemäß. Natürlich auch ein Folge jahrelanger finanzieller Vernachlässigung des Bades.

31. Januar 2013 - Schließung
Am 31. Januar 2014 ist dann endgültig Schluß. Das Pfungstädter Bad wird geschlossen – nicht zuletzt wegen brandschutztechnischer Mängel. Eine Sanierung war technisch und finanziell nicht mehr tragbar: die geschätzten Sanierungskosten beliefen sich auf rund 19 Millionen EUR, was die Stadt wirtschaftlich überforderte.  

Ehrlichkeit

Ein nachhaltiger Schock für alle Pfungstädter Bürger. Für die Vereine. Der DLRG sprach 2013 gar vom „Todesstoß für die DLRG Ortsgruppe“ - verständlich. Die „Zerschlagung“ der „gesamten intakten aktiven Vereinsstruktur in Pfungstadt“ drohe. Da geht dann die Legendenbildung los. Der Selbstbetrug.

Denn, man muß auch mit sich selbst ehrlich sein: Pfungstadt konnte sich dieses Schwimmbad nie leisten. Der Pfungstädter Steuerzahler mußte von Anfang ein überdimensioniertes Projekt für alle Besucher mitfinanzieren. Nachdem es erstmal gebaut war, tickte die Uhr. Die Generation, die das Glück hatte das Schwimmbad nutzen zu können, lebte von geborgter Zeit und geborgtem Geld. 

Es geht voran

Klar, wir wissen es die Geschichte ist damit nicht zu Ende. Es geht weiter. Das alte Schwimmbad kostete 28,4 Millionen EUR plus einige Millionen für eine Disco, 6,6 Millionen für eine Sauna. Plus Investitionsstau von 19 Millionen EUR. Und 36 Betriebsjahre lang jedes Jahr einen sechsstelligen Betrag, 2013 schließlich 2 Millionen EUR für den Unterhalt. 

Jetzt wird ein neues Schwimmbad gebaut. Ein Hallenbad für angenommen 45 Millionen EUR Baukosten und einem Jahreszuschussbedarf von 1,8 Millionen EUR. Gut, bis jetzt hat keine Kostenprognose ihren Vorgänger überlebt. Man darf also davon ausgehen, dass bis zur Fertigstellung noch ein paar weitere Millionen auf den Steuerzahler zukommen werden.

Braucht Pfungstadt ein Schwimmbad? Klar, man wird kaum einen finden der da „Nein!“ ruft. Demzufolge haben ja auch 80 Prozent der Pfungstädter bei der Bürgerbefragung im Oktober 2020 für den Bau eines neuen Schwimmbades gestimmt. Auch wenn das eine Belastung für die Gemeinschaft darstellt. Zitat Echo: “Demnach sind die Bürger bereit, für ein neues Bad höhere Belastungen für sich oder ein Weniger an städtischen Service zu akzeptieren.“ 

Nun muß man wissen: Zum Zeitpunkt der Umfrage 2020 lag die Kostenprognose zum Bau eines neuen Schwimmbads bei etwa 20 Millionen EUR (brutto?). Es gab einen gemeinschaftlich festgelegten Kostendeckel, bezüglich der jährlichen Unterhaltskosten. Also der Kosten, die nach Gegenrechnung der Einnahmen gegen die notwendigen Aufwendungen für Personal, Strom, Wasser, Unterhalt, Abschreibungen etc. übrig bleiben. Und die jährlich aus der Gemeinschaftskasse, dem Steuertopf, der Stadt Pfungstadt zu bezahlen sind. Das waren damals immerhin 820.000 EUR pro Jahr. Zuviel, fand die FDP schon immer. Aber, der Bürgerwille ist es was zählt. Also haben wir, ich und meine Parteifreunde zugestimmt. Inzwischen ist dieser Konsens längst aufgekündigt, die Kosten steigen und steigen.

Blick nach vorne

Man darf also gespannt sein, ob die kommenden Generationen die erforderliche Haushaltsdisziplin, den Willen aufbringen, den Großteil des verfügbaren Gemeinschaftsgeldes in ihr Schwimmbad zu stecken. Ich bezweifle das. Es wird dem neuen Hallenbad genauso gehen, wie dem alten Wellen- und Freibad. Denn: Wo wäre der fundamentale Wandel, insbesondere im Haushalt der Stadt, der eine Hoffnung auf Erfolg diesmal rechtfertigen würde? Welche grundsätzliche Änderung in Pfungstadt gäbe es, die ein anderes Ergebnis nahelegt, obwohl man das gleiche wieder tut? Nur noch teurer und ohne Sprungturm? Disco schon bestellt? Es ist notwendig, aus dem mentalen Stillstand herauszukommen. Nach vorne zu blicken, nicht ständig nach hinten. Die „guten alten Zeiten“ kommen nicht wieder. Es gab sie nie. Sie existieren nur in der Vorstellung und am Stammtisch. 

Das heißt nicht, dass es nie wieder ein Schwimmbad in Pfungstadt geben kann. Aber die Zukunft Pfungstadts liegt vor uns, nicht hinter uns. Jetzt gerade machen wir das, vor dem immer gewarnt wird: Wir lernen nichts aus der Vergangenheit. Wir brauchen aber neue Ansätze, anstatt krampfig in der Vergangenheit fest zu hängen.

Immerhin: Die weiterhin attraktive Außenfläche des neuen Hallenbades bleibt uns erhalten. Ungestört von Sprungturm und Schwimmbecken. Da kann zumindest das Phungo weiter stattfinden.